Ethanol zur Desinfektion

Ethanol ist ein weit verbreitet eingesetzter biozider Wirkstoff. Deshalb wird er auf Basis rechtlicher Vorgaben (im Wesentlichen CLP-Verordnung und Biozidprodukteverordnung) hinsichtlich seiner Eigenschaften bewertet und für seine Verwendung in Biozidprodukten einer Risikobewertung unterzogen.

Plastikflaschen

Informationen zu Ethanol in Desinfektionsmitteln

Informationen zu Ethanol in Desinfektionsmitteln (Biozid) finden Sie auf der Website der Europäischen Chemikalien Agentur Biocides - ECHA (derzeit nur auf Englisch).

 

Häufig gestellte Fragen zur Bewertung von Ethanol

In den folgenden Frage-Antwort-Paaren wird explizit auf die Bewertung von Ethanol im Rahmen der Europäischen Biozidprodukteverordnung eingegangen.

Wie ist es zur Bewertung von Ethanol gekommen?

Ethanol wird neben sehr vielen gewerblichen und industriellen Verwendungen auch als sehr effizienter biozider Wirkstoff in Biozidprodukten eingesetzt. Daher ist Ethanol bereits seit vielen Jahren ein notifizierter Wirkstoff im europäischen Biozidrecht. Dieses sieht eine umfassende Bewertung von bioziden Wirkstoffen und im zweiten Schritt von Biozidprodukten, die diese Wirkstoffe enthalten, vor.

Warum werden biozide Wirkstoffe und Biozidprodukte umfassend bewertet?

Die Bestimmungen der Biozidprodukteverordnung basieren auf dem Vorsorgeprinzip und sollen gewährleisten, dass für Mensch und Umwelt nur sichere und wirksame Biozidprodukte verwendet werden. Biozide Wirkstoffe unterliegen deshalb einem umfangreichen Bewertungsverfahren, um eine Entscheidung über eine Genehmigung treffen zu können. Die Bewertung umfasst ebenso eine Gefahrenbewertung, an deren Ende verpflichtend eine harmonisierte Einstufung von allenfalls vorhandenen gefährlichen Eigenschaften steht. Anhand von festgestellten gefährlichen Eigenschaften kann mit Hilfe von Expositionsberechnungen beziehungsweise -abschätzungen bei vorgesehenen Verwendungen der Wirkstoffe in Biozidprodukten das Risiko für Mensch und Umwelt abgeschätzt werden. Diese Risikobewertung ist notwendig, um feststellen zu können, ob eine Verwendung eines Biozidproduktes mit dem Wirkstoff mit akzeptablem Risiko zugelassen werden kann, gegebenenfalls unter Anwendung geeigneter Risikomanagementmaßnahmen.

Wie ist der derzeitige Stand im biozidrechtlichen Genehmigungsverfahren von Ethanol?

Die bewertende zuständige Biozidbehörde eines EU-Mitgliedsstaates (im Fall von Ethanol ist das Griechenland) hat 2024 seinen überarbeiteten Bewertungsbericht bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zur Begutachtung durch Expertinnen und Experten der anderen Mitgliedstaaten eingebracht. Die fachliche Diskussion dazu fand im Rahmen der sogenannten Arbeitsgruppen des Ausschusses für Biozidprodukte (kurz BPC-WG) statt. Die Arbeitsgruppen erarbeiteten unter Anwendung wissenschaftlicher Kriterien im September 2024 den Vorschlag zur Einstufung von Ethanol als krebserzeugend (Kategorie 1A oder 1B) und fortpflanzungsgefährdend (Kategorie 1A oder 1B). Der Ausschuss für Biozidprodukte wird voraussichtlich im November 2025 eine Stellungnahme („BPC Opinion“) zu den Genehmigungsvoraussetzungen von Ethanol abgeben, auf Basis derer die Kommission eine Entscheidung über die Genehmigung für Ethanol vorbereiten wird.

Welches weitere Verfahren gibt es in der EU, die Gefährlichkeit von Stoffen rechtlich festzulegen, und ist dieses auch für Ethanol anzuwenden?

Unternehmen müssen vor dem Inverkehrbringen von Stoffen und Gemischen deren Gefährlichkeit nach festgelegten Kriterien (CLP-Verordnung) bewerten. Für Stoffe mit besonders besorgniserregenden Eigenschaften, wie etwa krebserregende Eigenschaften, gibt es die Möglichkeit, sogenannte harmonisierte Einstufungen per Verordnung festzulegen. Ein entsprechender Prozess wird in der Regel von Behörden der Mitgliedstaaten angestoßen (Einreichung eines sogenannten CLH-Dossiers). Im Zuge des Verfahrens kommt es zu einer intensiven Bewertung aller vorliegenden Daten. Abschließend diskutieren Expertinnen und Experten in einem Fachausschuss (RAC – „Risk Assessment Committee“) die vorgeschlagene Gefahreneinstufung. Im Anschluss wird von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eine Stellungnahme veröffentlicht. 
Dieser Prozess ist für biozide Wirkstoffe wie Ethanol (unabhängig von den identifizierten Gefahren) verpflichtend. Für Ethanol ist von der griechischen zuständigen Behörde derzeit die Übermittlung eines entsprechenden Dossiers Ende 2026 angekündigt.

Welche rechtlichen Konsequenzen sind mit einer Einstufung als krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B und/oder fortpflanzungsgefährdend Kategorie 1A oder 1B verbunden?

Eine Einstufung in bestimmte Kategorien von Gefahren nach CLP kann in unterschiedlichen Regelungsbereichen direkte Konsequenzen wie etwa Beschränkungen oder Informationspflichten haben. Aus chemikalienrechtlicher Sicht werden im Folgenden drei relevante Beschränkungen beispielhaft hervorgehoben.

  1. Die REACH-Verordnung sieht vor, dass Stoffe und Gemische mit oben genannten Eigenschaften nicht in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie für den Verkauf an die breite Öffentlichkeit vorgesehen sind.
  2. Die Biozidprodukteverordnung deklariert Wirkstoffe mit oben genannten Eigenschaften als nicht zu genehmigende Wirkstoffe, die die Ausschlusskriterien erfüllen und als Kandidaten für die Substitution ihrer Verwendung in Biozidprodukten gelten. Diese können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen (Ausnahmemöglichkeiten) genehmigt werden.
  3. Biozidprodukte, die Ethanol enthalten, können weiterhin für die vorgesehenen bioziden Verwendungszwecke zugelassen werden, wenn diese angesichts der zu erwartenden Expositionsniveaus als sicher angesehen werden. Jedoch sind sie nicht für die Bereitstellung auf dem Markt zwecks Verwendung durch die breite Öffentlichkeit („private Verwender“) zulässig, wobei auch hier unter speziellen Vorrausetzungen und bei gegebener Notwendigkeit nationale Ausnahmen temporär möglich sind.

Können Biozidprodukte, die Ethanol enthalten, derzeit in der EU verwendet werden?

Ja, Biozidprodukte (Typ 1, 2 und 4), die Ethanol enthalten und derzeit auf dem Markt bereitgestellt werden, können gemäß den nationalen Übergangsbestimmungen in jedem Mitgliedstaat verwendet werden, bis über ihre Zulassung gemäß der Biozidprodukteverordnung (BPV) entschieden wurde.

Ist eine Genehmigung von Wirkstoffen mit CMR-Einstufung (Kat. 1A/1B) und eine biozidrechtliche Zulassung von Produkten mit solchen Stoffen möglich?

Ja, die Biozidprodukteverordnung sieht dafür Möglichkeiten vor. Neben der grundlegenden Gefahrenbeurteilung werden die Biozidprodukte anhand ihrer vorgesehenen Verwendungen bewertet, die Exposition abgeschätzt und das Risiko beurteilt.

Davor muss für betroffene Wirkstoffe vor Genehmigung eine Analyse bezüglich möglicher weniger gefährlicher Alternativen durchgeführt werden. Die ECHA organisiert eine Konsultation Dritter, in deren Rahmen interessierte Parteien Informationen über Alternativen zur Verwendung dieser Wirkstoffe in Bioziden vorlegen können. Eine entsprechende öffentliche Konsultation wurde auch für Ethanol durchgeführt. Die Konsultation wurde auf der Website der ECHA veröffentlicht, und die eingegangenen Beiträge werden zur Unterstützung des Meinungsbildungsprozesses des Ausschusses für Biozidprodukte herangezogen. Die Diskussion bezüglich Ethanol findet im November 2025 statt.

Für die Zulassung von Biozidprodukten, die genehmigte Wirkstoffe mit CMR-Eigenschaften enthalten, muss darüber hinaus noch eine vergleichende Bewertung durchgeführt werden. Diese soll klären, ob es ausreichende Zahl weniger gefährlicher Produkte mit vergleichbarer Wirkung am Markt gibt. 

Hinweis: Für Biozidprodukte, die nach oben genannten Gefahren einzustufen sind, ist eine Zulassung nur für gewerbliche und industrielle Verwendung möglich, wobei für die private Verwendung unter speziellen Vorrausetzungen und bei gegebener Notwendigkeit nationale Ausnahmen temporär möglich sind.

Ist der Hygienestandard in Gesundheitseinrichtungen akut gefährdet?

Nein, den Behörden in den EU-Mitgliedstaaten ist die praktische Bedeutung von Ethanol als effizienter Wirkstoff in Desinfektionsmitteln im Gesundheitswesen sehr bewusst. Die österreichische zuständige Behörde ist in die laufenden Abstimmungen auf EU-Ebene eingebunden und setzt sich für eine sachgerechte, verhältnismäßige Lösung ein, unter voller Wahrung der Gesundheitsschutz-Ziele des Chemikalien- und Biozidrechts.

Das Verfahren zur Genehmigung von Ethanol ist derzeit noch im Laufen, allerdings bereits in der Endphase. Der Ausgang der abschließenden Diskussionen im Ausschuss für Biozidprodukte (BPC – Biocidal Product Committee) ist derzeit offen. Die Entscheidung des BPC wird im November 2025 erwartet.

Erst mit der möglichen Genehmigung des Wirkstoffes wird ein Datum für die Frist zur Einreichung von Zulassungsanträgen festgelegt. Dieses liegt ungefähr 2 Jahre nach dem Datum der Entscheidung über die Genehmigung im Ausschuss für Biozidprodukte (BPC). Bis zu diesem Datum können rechtskonforme Biozidprodukte mit Ethanol nach nationalen Bestimmungen verwendet werden. 

Die zuständigen fachlichen Ausschüsse haben im Zuge der Bewertung festgestellt, dass Ethanol bestimmte Gefahreneigenschaften erfüllt, die in der BPR als sogenannte Ausschlusskriterien gelten (konkret geht es um mögliche krebserzeugende und reproduktionstoxische Wirkungen). Sollte der Ausschuss für Biozidprodukte (BPC) dieser Meinung folgen, bedeutet das:

Grundsätzlich ist in solchen Fällen eine Genehmigung eines Wirkstoffes nicht vorgesehen. Die Biozidprodukteverordnung sieht aber ausdrücklich Ausnahmemöglichkeiten vor. Etwa dann, wenn:

  • die Exposition unter realistischen Anwendungsbedingungen vernachlässigbar ist;
  • der Stoff essenziell zur Abwehr schwerwiegender Gefahren ist; oder
  • eine Nichtgenehmigung zu unverhältnismäßigen gesellschaftlichen Folgen führen würde.

Gerade im Fall von Ethanol, insbesondere in der hygienischen Hand- und Flächendesinfektion, liegen nach Meinung vieler Expertinnen und Experten gewichtige Argumente für eine solche Ausnahme vor. Aus heutiger Sicht ist es sehr wahrscheinlich, dass Ethanol unter Anwendung der Ausnahmebestimmungen genehmigt wird.

Abkürzungsverzeichnis

BPC: Biocidal Product Committee (Ausschuss für Biozidprodukte)

BPV: Biozidprodukteverordnung

CLH-Dossier: Dossier zur Festlegung von EU-weit harmonisierten Gefahreneigenschaften von Stoffen

CLP: Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von gefährlichen Stoffen und Gemischen

CMR-Eigenschaften: krebserzeugende, mutagene, reproduktionstoxische Eigenschaften

ECHA: Europäische Chemikalienagentur

RAC: Risk Assessment Committee (Ausschuss für Risikobewertung)

Letzte Änderung: 13. November 2025